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Kurzbiographien bedeutender Vereinsmitglieder

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MATTHÄUS DENNEFELD (1810-–1893)
SCHREINERMEISTER, SCHLÜSSELMEISTER UND KUNSTSAMMLER

von ADELHEID WASCHKA in BHVB 141 (2005) 161–-167
Tief versunken, in einem alten Buch blätternd, nimmt der Kunstsammler Matthäus Dennefeld den jungen Maler Fritz Bayerlein (1872–1955) kaum wahr, als ihn dieser Anfang der 1890er Jahre porträtiert. Meisterhaft sind die Charakterzüge des betagten Mannes mit aufgesetzter Brille dargestellt, der am 14. Dezember 1893, früh um 2 Uhr im Alter von 83 Jahren an einer Lungenentzündung sterben sollte. Er stellte eine Persönlichkeit dar, die noch zwanzig Jahre später folgendermaßen beschrieben wurde: „Dennefeld war als Bamberger Original weit und breit bekannt, er war ein trefflicher Charakter, sehr wohltätig, aber auch äußerst starrsinnig, ja er konnte wenn man seinen biedermaierlichen, streng ultramontanen Ansichten nicht voll und ganz beipflichtete, auch grob, sogar sehr grob werden.“ Interessanter jedoch für den Historiker ist das Umfeld, das sich der Kunstsammler geschaffen hatte. Neben dem alten Folianten auf dem Tisch türmen sich um den Altertumsliebhaber zahlreiche Bücher, die nicht nur als Dekoration, sondern auch zur Information dienen sollten. Hinter dem Ohrensessel ein Schrank mit gotischen Blendwerkschnitzereien, die Fenster als einzige Lichtquelle, ebenfalls mit Maßwerkabschluß, verbreiten durch vorgesetzte Buntglasmalereien eine diffuse Stimmung. Es war allgemein bekannt, daß sämtliche Gegenstände von Matthäus Dennefeld während seines ganzen Lebens selbst zusammengetragen worden waren und sein Wohnhaus mit Gartengrundstück, heutiger Maternstraße 2, ein Sammelsurium von damals verschleuderten, jedoch äußerst qualitätvollen Kunstgegenständen darstellte.
Die Familie Dennefeld ist in Bamberg über Generationen eine angesehene Handwerksfamilie gewesen, die im frühen 18. Jahrhundert unter dem Mainzer Kurfürsten und Bamberger Fürstbischof Lothar Franz von Schönborn mit vier Brüdern aus Königstein im Taunus stammend hier ein neues Zuhause fand. Neben den beiden Maurermeistern Christian und Johann Georg sowie dem Schuhmachermeister Anton Jakob gehörte der Familienzweig des Johann Dennefelds bald zu den besten Schreinern vor Ort. Knappe hundert Jahre später, am 24. April 1810, erhielt diese Dynastie mit Matthäus, dem Sohn von Konrad Dennefeld (1765–1835) und seiner zweiten Ehefrau Barbara Rohleder von Marktscheinfeld (1775–1837) eine Fortsetzung.  Es galt als selbstverständlich, daß dieser Stammhalter in jungen Jahren das traditionelle Handwerk erlernen und die Gesellenwanderung ableisten mußte. Ende der 1830er Jahre erwarb er in Bamberg die Anwesen mit den alten Hausnummern 1923 und 1923 a, späterer Maternstraße 2, von dem Bildhauer Wilhelm Wurzer und richtete dort sein Wohnhaus mit Werkstätte ein.
Bisher sind nur sehr wenige seiner Arbeiten bekannt, und diese beschränken sich fast ausschließlich auf die Stadt Bamberg, wie z. B. der Kirchenstand und das Gestühl in der evangelischen St. Stephanskirche (1843), die heute abgegangene Einrichtung der Hofapotheke (1843/1846) sowie die Fertigung einer eichenen Kommunionbank für den Bamberger Dom (1852) und der Türflügel des Westportals an der Oberen Pfarrkirche (1871), ebenfalls von Eichenholz. Aus den „Landkirchen, die meilenweit im Umkreis zu seiner Kundschaft gehörten“, ist leider noch kein Werk in Erscheinung getreten. Seine Vorliebe für die Kunstformen der Gotik brachten ihm den Namen „gotischer Schreiner“ ein.
Was ihn jedoch berühmt machte, war seine Tätigkeit als Kunstsammler, – und es wären viele Gegenstände für unsere Zeit verloren gegangen, wenn er nicht diese Neigung akribisch verfolgt hätte. Die Nachwehen der Säkularisation brachten es mit sich, daß „alte Kirchen, um sie für profane Zwecke zu benützen, einfach ihres oft köstlichen inneren Schmuckes beraubt und dieser um ein Schundgeld unter den Hammer gebracht oder … rücksichtslos in die Rumpelkammer geworfen wurde.“ Während Dennefeld auf dem Land für Kirchenstiftungen oder adelige Herrschaften  arbeitete, ließ er sich häufig für seine Tätigkeit mit „altem Gerümpel“ bezahlen oder erwarb sie zu günstigem Preis, da er ihren Wert hoch einschätzte. Möbel, Ofenkacheln, Glasmalereien, Buntwebereien, Kupferstiche, Ölgemälde, Inkunabel, Handschriften, Kartenwerke und siegelbehangene Pergamenturkunden zählten zu seinen Errungenschaften, nicht zu vergessen die kostbaren Plastiken, Grabsteinfragmente und Skulpturen, zu denen als berühmteste wohl die Gleskersche Kreuzigungsgruppe gezählt werden darf, welche Dennefeld für Bamberg neben anderen Objekten aus der Sammlung Martin von Reider sichern wollte. Nachdem er sich nach Abschluß seines siebzigsten Lebensjahres in den 1880er Jahren beruflich zur Ruhe setzte, widmete er sich ganz seiner sammlerischen Leidenschaft, die sich folgendermaßen niederschlug: „An den Montagen sah man ihn gewöhnlich ausgerüstet mit einem großen Reisesack hinaus ins fränkische Land ziehen, um ihn dann am gleichen oder nächsten Tage bei großer Hitze oder auch Kälte wieder zurückkehren zu sehen, vollgepackt und totmüde.“
All diese Kunstobjekte bekamen zunächst auf seinem Grundstück innerhalb und außerhalb des Wohngebäudes ihre Aufstellung. Bereits zu Lebzeiten fand ein an das Wohnhaus angefügter Erker höchste Bewunderung. Nach eigenen Plänen ließ er gotische Brüstungselemente, Gesimse und Kapitelle zu diesem Baukörper applizieren, in dem sich dann sein Arbeitszimmer befand (vergl. Abb. S. 167). Als Besonderheit dürfen „die Säulen, Gesimse des ehemaligen sogenannten Ritterhäuschen am Dome“ gesehen werden, deren Fragmente Dennefeld nach dem Abbruch des Vorbaus am östlichen Georgenchor im Jahr 1841 aufkaufte. Es handelte sich hierbei wohl um die sandsteinernen Efeu-Zierleisten und, wie Karl Sitzmann bereits 1957 feststellte,  „um eine Säule“, vermutlich den Pfeiler mit gedrehtem kannelierten Schaft als rechte Stütze.
Trotz seiner Liebe zu den Altertümern trat der Schreinermeister Matthäus Dennefeld erst 1859/60 dem Historischen Verein Bamberg bei. Auffallend, daß die Mitgliedschaft zeitlich mit dem Erwerb der Maternkapelle am 5. Mai 1860 als zukünftigem Vereinslokal des Geschichtsvereins zusammentraf. Sofort wird er als zuständiger Distriktsvorsteher der dortigen Hauptmannschaft und Nachbar des säkularisierten Gebäudes in die Planung der Gesellschaft miteingebunden. Das Gebäude sollte dem Verein zur Aufstellung seiner Bibliothek, seiner Antiquitäten, Münzsammlung, zur Aufhängung seiner Gemälde und dergl. dienen … jedoch auch, soweit es der Raum erlaubt, benützt werden, um die in der Stadt zerstreuten Kunst- und Altertumsgegenstände jeder Art hier vereinigt aufzustellen, damit sie vor Verfall oder Beschädigung geschützt werden und wenn Bedeutendes zusammen kommt, das Ganze gleichsam als Museum dienen. Um den Kauf zu finanzieren, plante man die Veräußerung von Aktienanteilen, deren Zeichnung man dem Bibliotheksdiener Schlosser und dem Distriktsvorsteher Dennefeld antrug. Gleichzeit erfolgte die Entscheidung über den Custos des Gebäudes, welche solchermaßen aussah, dass das Gärtchen hinter der Matern Herrn Vorsteher Dennefelds als Entschädigung für die Aufsicht über die Matern überlassen werden soll mit Nutzen an Obst. Auch bei den Renovierungsmaßnahmen – es sollten für einen besseren Lichteinfall größere, den gotischen Fenstern gleichartige Öffnungen eingebaut werden – erhielt Meister Dennefeld den Zuschlag für die Schreinerarbeiten in Höhe von 145 Gulden und 28 Kreuzer. Als Geschenk zum aktuellen Bestand der Sammlungen stiftete das neue Mitglied kurz darauf dem Verein Urkunden und Aktenstücke aus der Verlassenschaft des im Jahr 1861 verstorbenen Hauptmanns Müller sowie 26 Nummern von Einzelstücken und mehrere gleichartigen Objekten, hergestellt aus verschiedensten Materialien und unterschiedlichster Qualität – darunter die Ziffern 9 und 15 – eine von den Reiterstatuen im ehemaligen Reiterhäuschen (Inv. Nr. 269) sowie drei kleine steinerne Wappen von dem ehemaligen Reiterhause am Dom.
Ab Juni 1860 nun erscheint Matthäus Dennefeld als Distriktsvorsteher, Custos oder Schlüsselverwalter fast regelmäßig zu den Ausschußsitzungen des Historischen Vereins. Bei der Wiederwahl anläßlich der Generalversammlung vom 18. Mai 1870 wird er bestätigt und seine Aufgabe folgendermaßen definiert: 9. Der Schlüsselverwahrer hat zunächst die Aufsicht auf die Vereinssammlung, wacht über deren Sicherheit, zeigt auf Verlangen Fremden und Einheimischen die verschiedenen Gegenstände vor und trägt Sorge, dass das Verwahrungslocale gehörig gelüftet und gereinigt werde.
Als man am 24. Oktober 1872 darüber diskutierte, die Sammlung zukünftig in die neuen instand gesetzten Lokalitäten auf den Michelsberg überzusiedeln, ging man auch auf den Vorschlag von Dennefeld ein, neue Glasschränke zur Aufbewahrung allerlei Gegenstände anfertigen zu lassen. Aufgrund seines schlechten Gesundheitszustandes – er war wohl über ein Jahr sehr erkrankt – hatte man im Februar 1876 demselben noch eigentümliche Gegenstände im Vereinslokal (der Maternkapelle) aufbewahrt und einstweilen in das Inventar aufgenommen. Inwieweit er die Tätigkeit als Custos nach seiner Genesung im Sommer 1877 noch weiter erfüllte, wird leider nicht ersichtlich. Bei den Wahlen am 1. Dezember 1886 erfüllte der Kaufmann Daig die Stelle des Konservators der Matern, dem auch in der Folgezeit der dazugehörige Garten als Entschädigung angetragen wurde.
Kurz nach einem Einbruch in das Vereinsgebäude im Januar 1890 beschloß man, nun endgültig in die Städtische Galerie auf den Michelsberg umzuziehen. Ab dem Frühjahr 1891 wären die Räume innerhalb der Matern unbedingt zu räumen, um sie dem Privatier Dennefeld zur Aufstellung seiner Sammlung zu überlassen, vorausgesetzt, dass dieser ein hierauf gerichtetes Bittgesuch bei dem Verein einreicht. Nachdem dieses am 11. März 1891 eingegangen war, zog man die Übergabe in Betracht, wobei die Unterhaltskosten mit dem Schatzmeister noch näher geklärt werden mußten. Der Beschluß für die Verpachtung der Maternkapelle an Privatier Matthäus Dennefeld sen. wurde am 6. August gefaßt, wobei er selbst keine Miete zahlen sollte, wofür er aber für den gesamten Unterhalt des Gebäudes und die Reinigung der angrenzenden Straße Sorge tragen mußte. Nach seinem Tod im Dezember 1893 bot man dem Sohn Jakob Dennefeld an, diesen Vertrag aufrecht zu erhalten, falls er, wie sein Vater, das Gebäude lüften (die schlechten Steine auswechseln) das Dach reparieren lassen würde. Dieser lehnte anscheinend ab, vielmehr suchte er einen Käufer für die Sammlung im Ganzen. Ab Oktober 1894 wurde die Maternkapelle schließlich dem Kaufmann Otto Dros, langjährigem Mitglied des Vereins, zu denselben Bedingungen überlassen wie vorher dem verstorbenen Dennefeld. Bis zum Verkauf des Anwesens an den Bamberger Erzbischof Joseph von Schorck im Jahr 1896 konnte Dros seine Sammlung, die größtenteils aus dem Nachlaß von Matthäus Dennefeld bestand, dort unterbringen. Nach dem Tod des Kaufmannes wurden die Kunstgegenstände versteigert und gingen für Bamberg verloren.
Dabei war es von jeher der innigste Wunsch des Schreinermeisters, alles meiner Vaterstadt zu erhalten. Und ein Teil dieses Anliegens ging bereits im Jahre 1869 in Erfüllung, als er nämlich die bis dahin gesammelten Kunstgegenstände, insgesamt 145 Inventarnummern, an seine Heimatstadt verkaufte und somit in die Städtische Kunstsammlung auf dem Michelsberg eingliedern ließ. Es ist dies der letzte Rest von Kunst und Altertumsgegenständen welche (ich) aus hiesiger und auswärtiger Kirchen, Klöster und den Wohnungen alter Bürger aufgefunden und gesammelt habe. Es handelte sich hierbei um alles, was zu Ehre des Hause Gottes, wie auch alles, was Bezug auf die Geschicke und Geschichte meiner Vaterstadt hatte. Matthäus Dennefeld veräußerte seine Sammlung Ende der 1860er Jahre nicht, um daraus Profit zu schlagen, im Gegenteil, er begnügte sich bei der Gesamtsumme von 800 Gulden (fl.) mit einer Anzahlung von 400 fl. und weiteren Zahlungen zu je 100 fl. pro folgendem Jahr und 4 1/2 Prozent Verzinsung. Der Stadtmagistrat war sich damals durchaus bewußt, daß nachdem die Sammlung von Kunstgegenständen des verlebten Professor Martin von Reider leider von hier fortgekommen und als Eigentum des Staates vom Nationalmuseum in München einverleibt wurde, so existiert außer den Sammlungen des historischen Vereins dahier nur noch eine für die Stadt Bamberg besonders wertvolle Sammlung von Kunstwerken, die sich im Besitz des Herrn Schreinermeister Matthäus Dennefeld befindet. Am 27. August 1869 folgte die Übergabe der Kunstobjekte.
25 Jahre später hatte sich diese Einstellung jedoch vollkommen geändert, denn als es um den Verkauf der bis dahin wieder angesammelten Kunstgegenstände der Familie Dennefeld ging, erhielt der Kunstausschuß der Stadt Bamberg nur einen geringen Betrag für den Erwerb, da ja, wie man meinte, durch die Sammlungen Joseph Hellers und des Bibliothekars Jaeck bereits reichlich alte Bücher und Gemälde in Bamberg vorhanden wären. Der Wunsch von Matthäus Dennefeld, sein Erbe hier vor Ort zu behalten, konnte somit nicht erfüllt werden. Es wurde zunächst versprengt, und nur bei wenigen Teilen – wie der Gleskerschen Kreuzigungsgruppe – gelang es, sie mit hohem Aufwand in die Heimatstadt zurückzuholen. Ein kleiner Bruchteil ist im Garten der Maternstraße 2 noch erhalten. Ein schwacher Trost für all das Verlorene!