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Kurzbiographien bedeutender Vereinsmitglieder

DR. HERMANN FÖDISCH (1904–-1980)
KONSERVATOR UND GESCHÄFTSFÜHRER DES HISTORISCHEN VEREINS

von LOTHAR BRAUN in BHVB 141 (2005) 173–-176
Dr. Hermann Födisch stammte aus dem Sudetenland. Er wurde am 3. September 1904 in Saaz geboren, besuchte dort von 1915 bis 1923 das humanistische Gymnasium und studierte anschließend an der Hochschule für Welthandel in Wien. Das Studium der Rechts- und Staatswissenschaften absolvierte er von 1924 bis 1932 an der Deutschen Universität Prag. Über seine folgenden Tätigkeiten liegen unterschiedliche Darstellungen vor. 1938 übernahm er die Leitung des Stadtmuseums in Saaz, das über eine reichhaltige vorgeschichtliche Sammlung verfügte. In dieser Zeit studierte er als Berufstätiger an der Deutschen Universität Prag Philosophie mit dem Hauptfach Vor- und Frühgeschichte und war wissenschaftlicher Mitarbeiter am Universitätsinstitut für Ur-, Vor- und Frühgeschichte sowie am Landesamt für Denkmalpflege. Wegen Einberufung zur Wehrmacht erstmals 1940 und erneut 1942 konnte er sein Promotionsverfahren nicht abschließen. Im April 1945 geriet er in amerikanische Kriegsgefangenschaft, aus der er im August dieses Jahres entlassen wurde. Nach dem Verlust seiner Stelle, seiner Heimat und seines Vermögens fand er in Bamberg ein Unterkommen. Von hier aus konnte er sein unterbrochenes Studium an der Universität Erlangen wieder aufnehmen, wo er im Juli 1946 zum Dr. phil. mit dem Hauptfach Vorgeschichte und den Nebenfächern Geschichte und Geologie promoviert wurde.
In Bamberg hatte die schon seit 1914 diskutierte „Museumsfrage“ im Jahre 1938 eine Lösung erfahren, als das „Fränkische Heimatmuseum“ im Kanzleibau der Alten Hofhaltung eröffnet werden konnte, in das neben städtischem Kunstbesitz auch die reichhaltigen Sammlungen des Historischen Vereins, die bis dahin in einer eigenen Ausstellung in der Neuen Residenz gezeigt worden waren, eingingen. Wegen des Krieges mußte das Museum jedoch schon 1940 geschlossen und 1942 aus Sicherheitsgründen eingelagert werden. Nach Kriegsende stand nun die Wiedereinrichtung an. Dr. Födisch wurde im Herbst 1945 vom Historischen Verein, dem er seit 1. September 1945 bis zu seinem Tod als Mitglied angehörte, die Betreuung der Vor- und Frühgeschichtlichen Sammlung – zunächst noch auf vertragsloser Grundlage – übertragen. Er inventarisierte das Depot und baute die Schausammlung wieder provisorisch auf, wofür er eine monatliche Unterstützung von 100 RM erhielt. Nach seiner Promotion begann er damit, die vor- und frühgeschichtlichen Funde von zehn Landkreisen um Bamberg erstmals systematisch aufzunehmen. Erst nach seiner Entnazifizierung, die ihn in die Gruppe IV (Mitläufer) einstufte, wurde er ab Jahresbeginn 1948 vom Historischen Verein als Konservator bei einer monatlichen Vergütung von 200.– RM angestellt. Für die Fälle der Währungsreform und der vertraglichen Regelung der Museumsfrage mit der Stadt Bamberg wurde eine Neufestsetzung der Bezüge vorbehalten. Dr. Födisch oblag nach dem Dienstvertrag die Ordnung, Verzeichnung, Konservierung, Aufstellung und Verwaltung der prähistorischen Sammlung, des Heimatmuseums und der Bibliothek, ferner in der Stellung eines Geschäftsführers die Erledigung der laufenden Vereinsgeschäfte nach Anordnung des 1. Vorsitzenden. Außerdem wurden von ihm Ausgrabungen durchgeführt, Fundbergungen vorgenommen, Leihgaben zusammengebracht und Fundkarten gezeichnet. Als nach der Währungsreform (20. Juni 1948) der Historische Verein zur Leistung der vereinbarten Vergütung nicht mehr in der Lage war, wurde Dr. Födisch von der Stadt Bamberg ab 14. Oktober 1948 als Aufseher bei der staatlichen Residenzgalerie mit einer täglichen Vergütung von 8.– DM angestellt und der Stadtbaudirektion als dem für das Heimatmuseum zuständigen Referat zugeteilt. Seine Arbeit für das Museum und den Verein, aber auch seine Bemühungen um die Bergung vor- und frühgeschichtlicher Funde fanden allgemeine Anerkennung. Vor allem seine 1949 in der Neuen Residenz durchgeführte Ausstellung „Aus der Welt des Steinzeitmenschen“ erfuhr seitens der Fachwelt eine sehr günstige Beurteilung. Doch schon einige Monate später kam es zu einer überraschenden Wendung. Die Stadt Bamberg entließ mit Beschluß vom 27. April 1950 Dr. Födisch fristlos mit der Begründung, er habe bei seiner Einstellung unvollständige Angaben über seine politische Vergangenheit gemacht und dadurch die Stadt getäuscht. Doch mußte die Stadt diesen Kündigungsgrund in einem 1951 durchgeführten Verfahren vor dem Arbeitsgericht Bamberg zurücknehmen, weshalb es vergleichsweise zu einer einvernehmlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses kam. Die allgemein als unbillig empfundene fristlose Entlassung wurde zwar dadurch abgemildert, daß die Stadt Bamberg sich bereit fand, die bisherigen Bezüge auf drei Monate als Übergangsvergütung fortzuentrichten, und Dr. Födisch die weitere Einrichtung der vorgeschichtlichen Sammlung im Auftrag des Historischen Vereins gestattet wurde. Es blieb jedoch bei der Entlassung und der Ablehnung einer Wiedereinstellung, für die sich aus sachlichen Gründen außer dem Historischen Verein auch der Regierungspräsident von Oberfranken, das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege und verschiedene Fachwissenschaftler eingesetzt hatten. Das greifbare Ergebnis dieser Bemühungen, der Vor- und Frühgeschichte auch in Oberfranken eine professionelle Pflege zukommen zu lassen, bestand in der Herausgabe seiner bereits 1950 im Manuskript erstellten Schrift „Bamberg und sein Umland in ur- und frühgeschichtlicher Hinsicht“, die mit Unterstützung des Historischen Vereins 1953 im Druck erscheinen konnte.
Dr. Födisch hatte aus dieser Entwicklung längst persönliche Konsequenzen gezogen. Er trat ab Juni 1951 eine neue Stelle als Personalsachbearbeiter im Bundesjustizministerium in Bonn an und machte seine Ansprüche aus Art. 131 GG geltend, da er bis 1945 als verbeamteter Museumsleiter im öffentlichen Dienst gestanden war. Zwar bekundete er noch nach seinem Wegzug von Bamberg sein Interesse, eine prähistorische Tätigkeit in Franken hauptberuflich zu übernehmen, doch konnte er diese Absicht nicht verwirklichen. Er wurde später in die gehobene Laufbahn beim Deutschen Patentamt in München übernommen, trat als Regierungsoberamtmann in den Ruhestand, verzog dann nach Forchheim und verstarb dort am 29. März 1980.
Bei nachträglicher Betrachtung der Bamberger Vorgänge nach 1945 fällt auf, daß die Bemühungen des Historischen Vereins, die museale Arbeit der Stadt Bamberg und die Prähistorie auf eine professionelle Grundlage zu stellen, d. h. einen ausgebildeten Fachmann mit der Museumsarbeit und der vor Ort zu leistenden prähistorischen Arbeit zu betrauen, trotz eines verheißungsvollen Anfangs damals gescheitert sind. In der Nachkriegszeit spielte zweifellos die finanzielle Notlage eine große Rolle. Es waren aber auch die damaligen Mehrheitsverhältnisse im Stadtrat, die einem einheimischen Museumsleiter den Vorzug gegenüber einem Vertriebenen geben wollten. Noch Jahre dauerte es, bis sich die Erkenntnis durchsetzte, die Museumsleitung einer fachlich ausgebildeten Person zu übertragen. Bis zur Errichtung einer staatlichen prähistorischen Außenstelle für Oberfranken, die 1976 in Schloß Seehof erfolgte, verging noch eine viel längere Zeit.