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Kurzbiographien bedeutender Vereinsmitglieder

DR. WILHELM HESS (1858–-1937)
MATHEMATIKER, HOCHSCHULPROFESSOR, LANDESGESCHICHTSFORSCHER

von LOTHAR BAUER in BHVB 141 (2005) 181–-184
Mit Wilhelm Heß hatte der Historische Verein Bamberg einen Mann als Mitglied in seinen Reihen, der von Haus aus Naturwissenschaftler, später aber begeisterter Geschichtsfreund und erfolgreicher Regionalgeschichtsforscher war.
Geboren ist Heß am 4. Februar 1858 in Aschaffenburg, er verbrachte aber den größten Teil seiner Jugend in dem Odenwaldstädtchen Amorbach, wo sein Vater Anton Heß als Fürstlich Leiningenscher Rechnungsrat tätig war. Von hier aus besuchte er das Gymnasium im nahen Würzburg und begann dort nach dem Abitur 1875 mit dem naturwissenschaftlichen Studium, vor allem der Mathematik und Physik. Bald bezog er die Universität München, wo er 1879 die Staatsprüfung für das Lehramt in Mathematik und Physik ablegte. Zunächst wurde er Assistent, recht bald aber für einige Jahre Reallehrer an der Kgl. Kreisrealschule München. 1880 promovierte er an der dortigen Universität zum Dr. phil. mit einer Dissertation aus dem Bereich der mathematischen Naturwissenschaft mit dem Prädikat „summa cum laude“. Vier Jahre später habilitierte er sich an der Technischen Hochschule München, nachdem er in den Jahren nach seiner Promotion in regelmäßigen Abständen eine Reihe wissenschaftlicher Arbeiten vorgelegt hatte, und zwar ausschließlich aus seinem speziellen mathematisch-physikalischen Fachgebiet, vor allem aus dem Bereich der analytischen Mechanik. Schon 1881 hatte er sich mit der besonderen Kurvenform der Casinischen Linie beschäftigt, 1882 mit der Bewegungsform der Rotation, 1883 mit einer ihrer speziellen Ausformungen. 1886 wandte er sich der Ellipsoidenforschung zu, 1889 der Hydrodynamik und der Strömungslehre des Schweizer Mathematikers Leonhard Euler (1707–1783). Das Jahr 1890 brachte Wilhelm Heß seinen größten wissenschaftlichen Erfolg, der seinen Namen in der mathematisch-physikalischen Fachliteratur für die Zukunft gesichert hat. Es war ihm nämlich gelungen, erstmalig eine Bewegungsart nachzuweisen, eben den „Heßschen Fall“, die Kreiselbewegungsform des Gyroskops, des „Turbo“.
Zwei Jahre vorher schon hatte Wilhelm Heß einen Ruf als außerordentlicher Professor für Physik, Mathematik und Astronomie an das kgl. Lyzeum in Bamberg erhalten. 1898 wurde er hier ordentlicher Lyzealprofessor, 1910 Hochschulprofessor, und von 1912 bis 1915 war er Rektor des Bamberger Lyzeums, das seit 1923 Philosophisch-Theologische Hochschule hieß. Seine Emeritierung erfolgte 1925.
Mit dem Ortswechsel von München nach Bamberg wandelten sich auch die Interessengebiete von Wilhelm Heß. In seiner Münchener Zeit hatte er sich ausschließlich den Naturwissenschaften Mathematik und Physik zugewandt. Doch mit seiner beruflichen Veränderung nach Bamberg trat er in seiner schriftstellerischen Tätigkeit auch mit geisteswissenschaftlichen Abhandlungen hervor. Vorwiegend historische, kunsthistorische und vor allem wissenschaftsgeschichtliche Themen standen nun im Vordergrund seiner Bemühungen. Insbesondere zeigte sich diese Interessenverlagerung auf zwei Gebieten. Zunächst behandelte er in einer breit angelegten dreibändigen Untersuchung die Geschichte des Bamberger Lyzeums. Weiterhin beschäftigte ihn die Bamberger Akademie und Universität, deren Matrikel von 1648 bis 1803 er edierte. Daneben legte er noch eine ansehnliche Reihe von Einzelarbeiten zur Geschichte und Kunstgeschichte Bambergs und Oberfrankens vor.
Schon 1904, ein Jahr nach seiner ersten landesgeschichtlichen Veröffentlichung, ist Wilhelm Heß dem Historischen Verein Bamberg als ordentliches Mitglied beigetreten. Am 13. September 1909 wurde er in den Vereinsausschuß gewählt, dem er bis zu den Neuwahlen am 12. März 1928 angehörte. Kurz vorher, am 9. Januar 1928, war er anläßlich seines 70. Geburtstages durch Ausschußbeschluß zum Ehrenmitglied ernannt worden. Seine wissenschaftlichen Leistungen waren bereits bei seiner Emeritierung 1925 durch die Ernennung zum Geheimen Regierungsrat anerkannt worden. Später wurde ihm in Würdigung seiner regen Anteilnahme am kirchlichen Leben der Titel eines päpstlichen Hauskomturs verliehen. Denn schon als junger Student in Würzburg hatte er seine religiöse Grundhaltung dadurch deutlich gezeigt, als er mit einigen seiner Mitabiturienten 1876 den Katholischen Süddeutschen Studentenverein Normannia gegründet hatte, womit er das katholische Korporationswesen auch für sein weiteres Leben vollinhaltlich anerkannte. Und noch als Zweiundsiebzigjähriger beteiligte er sich 1930 an der Gründung der Katholischen Studentenverbindung Mainfranken im KV zu Bamberg.
Wilhelm Heß war verheiratet mit Laura Schwarz aus Bamberg. Der Ehe entstammten die beiden Söhne Johannes, der Stadtpfarrer von Münchberg wurde, und Wilhelm, der es zum Generalmajor und Befehlshaber im Wehrbereich VI (Bayern) der Bundeswehr brachte, sowie die Tochter Eva Maria, die mit dem Gymnasiallehrer Dr. Eduard Vogt verheiratet war. Nach schwerer Krankheit verstarb Wilhelm Heß am 25. September 1937 in Bamberg. Sein noch erhaltenes Grab und der 1958 nach ihm benannte „Geheimrat-Heß-Ring“, eine bogenförmige Straße an der Schlüsselstraße im Gebiet der Weide, erinnern an den fruchtbaren Bamberger Geschichtsforscher.