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Kurzbiographien bedeutender Vereinsmitglieder

HEINRICH JOACHIM JAECK (1777–-1847)
BIBLIOTHEKAR, FORSCHER UND SCHRIFTSTELLER

von BERNHARD SCHEMMEL in BHVB 141 (2005) 196–-199
Den Bamberger Bibliothekar Heinrich Joachim Jaeck zu würdigen, fällt nicht leicht – der Spätgeborene sollte sich ihm nur in Ehrfurcht nahen. Die Verdienste für die gesamte regionale Geschichte und Kultur des 19. Jahrhunderts sind keineswegs aufgearbeitet. Allein das wissenschaftliche Oeuvre, an die 240 Titel, ist außerordentlich vielschichtig. Vieles ist trotz mancher Unzulänglichkeiten bis heute unverzichtbar, so das „Pantheon der Literaten und Künstler Bambergs“. Hans Fischer wird seinem Vorgänger in den „Lebensläufen aus Franken“ in glänzender Formulierung differenziert gerecht, Wilhelm Schleicher hat Jaeck und sein Wirken für die Königliche Bibliothek, die heutige Staatsbibliothek, knapp und treffend charakterisiert, Karl Klaus Walther würdigt den Kulturstifter, Wissenschaftler und Bewahrer von Bambergs literarischem Erbe vom externen Standpunkt.
Immerhin gibt es einen eindrucksvollen Erinnerungsort, die Staatsbibliothek in der Neuen Residenz, und hier insbesondere das „Vorstandszimmer“. Im ersten Stock, in einem 1733/1734 zum Gästezimmer umgebauten ursprünglichen Treppenteil, ist es ein leicht und beschwingt stuckierter Raum, der einen herrlichem Blick auf die Dächerlandschaft Bambergs und die umgebenden Jurahöhen ermöglicht. Der siebente Nachfolger, Fridolin Dreßler, hat es 1965 gestaltet, beim Umzug der damaligen Staatlichen Bibliothek ins neue Domizil am Domberg, und es gehört sicher zu den schönsten Amtszimmern Bayerns.
Hier sind die Biedermeiermöbel Jaecks repräsentativ, aber nicht museal angeordnet. Er hat sie den (vielleicht nicht so begüterten) Nachfolgern testamentarisch hinterlassen, mit der Auflage, sie nur verändern zu dürfen, wenn sie Besseres schafften. Das war nicht der Fall. Das Mobiliar ist bis in die jüngste Vergangenheit den funktionalen Erfordernissen entsprechend, aber stilvoll erweitert worden. Seit dem 200. Geburtstag des Bibliothekars im Jahr 1977 sind auf einem repräsentativen Biedermeierschrank (der Aufnahme in ein Handbuch gefunden hat) auch Teile des chinesischen „Dessert-Service“ ausgestellt, „welches einem Gabelfrühstücke mit fremden Gelehrten zur Ehre gereichen würde“ und das auf ewig unveräußerlich bleiben sollte (es hatte das anfängliche Jahresgehalt gekostet).
In diesem „Vorstandszimmer“ ist Jaeck „in effigie“ präsent, und er scheint sich in dem Raum inmitten der Porträts von Fürstbischöfen als später Gast keineswegs unwohl zu fühlen. Warum auch, ist die Bibliothek, die hier ihre Zentrale hat, doch (nicht nur nach seiner eigenen Vorstellung und Formulierung) sein geistiges Kind. Die Portraits des Erbauers dieses Residenz-Flügels, des jovial wirkenden Bamberger Fürstbischofs und Mainzer Kurfürst-Erzbischofs Lothar Franz von Schönborn, und des asketischen Sozialreformers, des Bambergischen und Würzburgischen Fürstbischofs Franz Ludwig von Erthal, prangen als Gegensatzpaar an der Wand zum Vorzimmer.
Jaecks Ölbild hängt zwischen den Fenstern der Stadtseite, über der Etagere mit dem gültigen gedruckten Handschriftenkatalog der Staatsbibliothek. Es ist eines von mehreren charakteristischen Porträts, und zeigt den Bibliothekar in der Fülle seiner Schaffenskraft. Ein 1816 erstmals publiziertes Kupfer hängt damit zusammen. Eine Kopie des Bildes hat der Mäzen Emil Frhr. Marschalk von Ostheim 1898 für die „Ahnengalerie“ der Bibliothek (heute im Vorzimmer) bei dem Maler Hans Kundmüller in Auftrag gegeben. Selbstbewußt, mit vollen Lippen, um die – wie auch um die Augen – ein fast schalkhaft-wissendes Lächeln zu spielen scheint, blickt Jaeck – anscheinend verständnisvoll – auf das Tun und Treiben seiner Nachfolger. Das ist ein etwas anderes Bild, als die ihm attestierte Merk-Würdigkeit im Doppelsinn, die sonderbaren, fast bizarren Eigentümlichkeiten seiner Persönlichkeit.
Jaeck hat den Kontakt mit Kollegen, Gelehrten und mit vielen anderen Menschen, auch auf Reisen, durchaus gesucht. Er bekannte von sich, daß die trockene Bibliotheksarbeit einen Ausgleich im mehr geselligen Bereich erfordere. Freuden des Lebens war er nicht verschlossen. Als fast väterlicher Förderer hat er Joseph Heller zur wissenschaftlichen Tätigkeit angeregt, als Freund verbanden ihn mit dem Arzt Johann Lukas Schönlein nicht nur gleiche freiheitliche Gesinnungen. Literarischen Gästen gegenüber erwies er sich als unermüdlich gefällig.
Auf die Barrikaden stieg Jaeck aber, wenn die Interessen der Bibliothek oder gar deren Eigenständigkeit geschmälert zu werden drohten, wenn er Konkurrenz fürchtete. Mit Personen seines Umkreises konnte er streng ins Gericht gehen, wenn er glaubte – ob zu Recht oder nicht – Zweifel an der richtigen Berufung äußern zu müssen. Letztendlich ist für uns aber nicht entscheidend, ob seine Persönlichkeit auf Anhieb Sympathie erwecken kann, sondern die Leistung, die bleibt. „Unbeweibt und unbekindert“, so eine seiner Formulierungen in den Literaten-Biographien, war der Exzisterzienser Langheims nicht nur höchst geschickt und außerordentlich arbeitsam, sondern unermüdlich, aufopfernd und rastlos bibliothekarisch, literarisch und wissenschaftlich tätig. Dabei kam er mit wenig Schlaf aus. Energisch und streitbar formte er die säkularisierten Büchermassen zu einer Sammlung. Anfangs tat er das mit Hilfe des gutmütig-fleißigen Exkapuziners Alexander Schmötzer und oft gegen den lustlos-trägen früheren Universitätsbibliothekar Konrad Frey. Ab 1815 war er allein „funktionierender Bibliothekar“ bis 1847, dabei häufig ohne festen Etat, auf Makulatur- und Doublettenverkauf, Geschenke, die schriftstellerische Tätigkeit und seinen eigenen „patriotischen Beutel“ angewiesen.
Die in die Universitätsbibliothek eingegliederten Bücher waren in einem pragmatischen standortgebundenen System aufgestellt und bereits ab 1805 benützbar. Mit gutem historischem Gespür, freilich durchaus von aufklärerischen Vorstellungen hinsichtlich „Brauchbarkeit“ durchdrungen, hat Jaeck nicht nur das Überkommene bewahrt, sondern ganze Sammlungen selbst zusammengebracht, so die von Drucken und Handschriften zur Geschichte Bambergs (gewissermaßen eine Regionalbibliothek). Die Erschließung und die Vermittlung an die Öffentlichkeit in z. T. selbst finanzierten Publikationen waren für die damalige Zeit beispielgebend.
Dabei sollte die Bibliothek nicht zu einem Museum erstarren (auch die Versuche, die Stadt Bamberg in die Pflicht zu nehmen, sind hier zu erwähnen). Jaeck gründete eine Lesegesellschaft, nach damaligem Gebrauch „Museum“ genannt. Deren Mitglieder sollten vor allem aktuelle Zeitschriften finanzieren und zirkulieren, aber nach der Lektüre der Bibliothek zukommen lassen. Wenngleich die Institution später von der Bibliothek getrennt wurde und im Rahmen der Bürgergesellschaft „Harmonie“ eigene Wege ging, so hat Jaeck sich dort weiterhin eingebracht.
Eine Handlungsplattform war ihm der Historische Verein. Jaeck gehört zu den Gründungsmitgliedern (wie beim Kunstverein) und bereicherte ihn mit seiner respektablen Gemäldesammlung. Nach der kurzen Tätigkeit Paul Oesterreichers war er bis zu seinem Tod Vereinssekretär (1831–1847) und hielt häufig Vorträge auf den Versammlungen, auch den mit dem Bayreuther Historischen Verein gemeinsam abgehaltenen. Die Vereinsprotokolle der anfangs monatlichen Sitzungen und die regelmäßigen Zusammenfassungen der Vereinsziele spiegeln seine Tätigkeit. Erwähnt sei sein frühes Projekt der Edition des 1300/1313 vollendeten „Renners“ des Bamberger Schulrektors Hugo von Trimberg. Die Erlanger Handschrift konnte zur Abschrift durch den Sekretär Joseph Hellers ausgeliehen werden. Die Publikation ist eine damals epochemachende Tat gewesen. Die Protokolle zeigen freilich bald die in den Personen begründeten Empfindlichkeiten und daraus sich ergebenden Animositäten.
Jaeck ist für den Historischen Verein so tätig geworden, wie das heute selbstverständlich ist: Fachleute der Institutionen, bei denen jetzt die Sammlungen deponiert sind, bringen ihre Arbeit ein, damit die reichen Vereinsbestände der Öffentlichkeit, sachgerecht aufbereitet, zur Verfügung gestellt werden können. Dabei gibt es keine Konkurrenzsituation und keine ungewollten Überschneidungen. Der Historische Verein hat sich nicht selten als Sammelbecken für reiche, sonst womöglich der Gefahr der Vernachlässigung ausgesetzte Bereiche erwiesen. Es ist gut zu verstehen, daß der Bürger einer von ihm mitgetragenen Institution sein Erbe gerne anvertraut.