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Kurzbiographien bedeutender Vereinsmitglieder

PHILIPP AUGUST GOTTHOLD SABEL (1852–-1909)
KÖNIGLICHER GYMNASIALPROFESSOR UND KIRCHENRAT, WAPPEN- UND SIEGELFORSCHER

von FRANZ BITTNER in BHVB 141 (2005) 247–-251
Gotthold Sabel wurde am 12. Juni 1852 in Waldangelloch, Großherzoglich-Badisches Bezirksamt Bretten, als Sproß eines badischen Pfarrergeschlechtes geboren. Sein Großvater Johann Philipp Sabel war Dekan in Heidelberg, sein Vater Ludwig Adolf Sabel, verheiratet mit Wilhelmina Grosch, Pfarrer in Waldangelloch, später in Gochsheim (Baden). Das Großherzogtum Baden, 1806 durch den Reichsdeputationshauptschluß und den Beitritt zum Rheinbund entstanden, hatte im 19. Jahrhundert das Glück, von allgemein liberalen Herrschern regiert zu werden. Im Geburtsjahr Sabels trat Großherzog Friedrich I. (1852–-1907), ein überzeugter Protestant, seine 56jährige Herrschaft an, die Baden nach schweren Unruhen der Revolution 1848/49 zum „Musterländle“ machte. Nach dem Abitur (Gymnasialabsolutorium) in Stuttgart studierte Sabel von Ostern 1872 bis Herbst 1876 an der Universität Erlangen. In Ansbach legte er 1876 die theologische Aufnahmeprüfung mit der Note III (gut) ab. Hier folgte 1879 die Anstellungsprüfung. Vor der eigentlichen Anstellung nahm Sabel 1876 ein Angebot des Pfarrers Petrus Heller in Kleinheubach/Main, kgl. Bezirksamt Miltenberg, bei ihm als Privat-Vikar einzutreten, bereitwillig an. Er reichte, befürwortet durch Pfarrer Heller, ein Gehorsamstes Gesuch des Predigtamtskandidaten Gotthold Sabel – Betreff: Verwendung im bayerischen Kirchendienste, vorgelegt beim Königlichen Dekanate in Erlangen 16. September 1876 ein und stellte die gehorsamste Bitte: Ein hochwürdiges königliches Protestantisches Consistorium wolle geneigtest genehmigen, daß der gehorsamst Unterzeichnete in dem Dienste der bairischen Landeskirche Verwendung finde, d. h. das Vikariat Kleinheubach übernehme. Kurz darauf traf die Genehmigung ein. Auch das wiederum von Pfarrer Heller sowie vom Oberconsistorium München befürwortete Gesuch um die Ordination, für die Sabel um Befreiung von der weiten, beschwerlichen Reise nach Bayreuth, auch wegen der großen Ausdehnung der Pfarrei Kleinheubach, bat, hatte Erfolg, und die Ordination wurde in Kreuzwertheim vollzogen. Am 12. September 1878 erging die Aufforderung an Sabel, sich für den Dienst in der Bayerischen Landeskirche zu entscheiden. Sabel antwortete am 2. Oktober 1878 zustimmend. Im Jahre 1879 erwarb er die bayerische Staatsangehörigkeit und erhielt erst später, seit dem 1. Januar 1882, Heimatrecht in Kleinheubach. Im Jahr 1879 wirkte Sabel als Pfarrverweser in Amberg und Vohenstrauß, zudem legte er in Ansbach die theologische Anstellungsprüfung mit der Note III (gut) ab. Durch Höchste Entschließung des kgl. Staatsministeriums des Innern für Kirchen- und Schulangelegenheiten wurde Sabel am 28. Dezember 1879 die Funktion eines protestantischen Religionslehrers an den kgl. Lehrerbildungsanstalten und der kgl. Studienanstalt in Bamberg übertragen. Er bezog ein Funktionsgehalt von 2 868 Mark. Zu Ostern 1882 heiratete er die jüngste Tochter des Pfarrers Heller, Emilie Heller. Für seine Tätigkeit erntete Sabel von seinen vorgesetzten protestantischen Behörden hohes Lob. Die Lehrer wurden alle fünf Jahre qualifiziert und erhielten eine Quinquennalnote. Das protestantische Dekanat Bamberg richtete am 21. Mai 1885 einen Brief an das kgl. Consistorium Bayreuth mit der Bitte, die Note für Sabel von III auf II (sehr gut) zu erhöhen. Seine Zensur in den letztjährigen dekanatischen Qualifikationslisten lautet folgendermaßen: Ist von sehr großer Statur, sehr lebendigem, regsamem Geiste, überhaupt von sehr beweglichem Wesen, voll edlen höheren Strebens. Seinem hiesigen arbeitsvollen Lehrberufe widmet er sich mit vollster Hingebung, predigt daneben auch zuweilen gerne und findet mit seinen schriftgemäßen, einfachen warmen, ganz frei und fließend vorgetragenen, manchmal etwas zu ausführlichen Predigten auch entsprechenden Eingang bei der Gemeinde. Bei seiner Vielseitigkeit läßt er es auch im Ringen nach immer größerer Gründlichkeit und Tiefe nicht fehlen. ... führt mit seiner gediegenen Gattin einen sehr anständigen Haushalt und vollkommen würdigen Handel. Bis jetzt kinderlos, hat er meist Zöglinge in seinem Hause. Seine Berufswirksamkeit als Religionslehrer ist noch in jedem Jahre von Seite der kirchlichen Behörde besonders anerkannt worden. Im Namen seiner Majestät des Königs von Bayern genehmigte das Oberconsistorium München das Ansuchen. Im gleichen Jahre wurde Sabel zum Gymnasial-Professor ernannt, seit 1890 unterrichtete er auch am Neuen Gymnasium Bamberg. Sabels freier Umgang mit dem Lehrstoff wurde vom Consistorium Bayreuth gerügt, doch Sabel rechtfertigte sich und der Tadel wurde zurückgenommen (von Sabel am 30. März 1887 als gelesen bestätigt). Seine tiefe Religiosität und die ökumenische Hilfe für die katholischen Präparanden beweist ein Brief des Consistoriums Bayreuth an das Dekanat Bamberg: Daß sich Professor Sabel bei der Beichte und Kommunion derselben (katholischen Präparanden) unter Genehmigung des Parochus betätigt hat, gibt von dem seelsorgerischen Ernste Zeugnis, mit dem er sein Lehramt führt und trägt gewiß zur religiös-sittlichen Förderung der Schüler bei. Doch das Consistorium kontrollierte streng, wie zwei Anfragen zeigen: Findet eine gemeinsame Morgenandacht der protestantischen Schüler statt? Ist der sonntägliche Nachmittags-Gottesdienst verpflichtend oder frei? Sabel antwortet, daß eine gemeinsame Morgenandacht beider Konfessionen vom jeweiligen Hilfslehrer mit Gebet, Psalmengesang, Vater Unser (deutsch) ohne Doxologie, und dem Gloria patri durchgeführt werde. Abends werden Andachtslieder, die für beide Konfessionen passen, gesungen. Prinzregent Luitpold verlieh Sabel mit Wirkung vom 1. Juli 1896 dem protestantischen Religionslehrer an beiden humanistischen Gymnasien in Bamberg die pragmatischen Rechte mit Anrechnung der Dienstzeit im Gymnasialdienst auf die Pensionsbezüge. Sein hohes Ansehen als Lehrer und Wissenschaftler führte 1907/1908 zur Beförderung zum Königlich-Bayerischen Kirchenrat.
Am 11. Februar 1909 mußte das Bamberger Dekanat dem kgl. Protestantischen Consistorium mitteilen: Der k. Gymnasialprofessor Kirchenrat Sabel dahier ist heute früh 3/4 7 Uhr an den Folgen eines Schlaganfalls verstorben. Sein plötzlicher Tod weckte eine breite und tiefe Anteilnahme, wie die Trauerreden am Grabe erkennen lassen. Der 1. Vorsitzende des Historischen Vereins Bamberg,  Lycealprofessor Dr. Dürrwächter, würdigte ihn als ein im Vereinsausschuß besonders eifriges Mitglied, dessen historische Studien weit über die Grenzen des Vereinsgebietes hinausgingen. In der letzten Monatsversammlung, kurz vor seinem Tod, legte Sabel einen fertigen chronologischen Kalender, berechnet auf 2000 Jahre, vor. Bei der feierlichen Beerdigung erwiesen ihm die Gymnasien, alle Behörden, Adel, Militär, Domkapitel, Israelitische Kultusgemeinde, Stadtvertreter, der Verein für protestantische Gemeindepflege, dessen Vorstand Sabel war, und der Verein der interkonfessionellen Krippenanstalt die letzte Ehre.
Wenden wir uns nun G. Sabels wissenschaftlichem Werk zu, das bis heute Beachtung verdient. Eine seiner umfangreichsten Arbeiten ist der Entwurf der Städte-Wappen für das Melanchthon-Haus in Bretten (Kreis Karlsruhe), dem Geburtsort Philipp Melanchthons (1497–1560). Dieser eindrucksvolle Bau wurde als ehrendes Museum in historisierendem gotischem Stil 1897 begonnen und vom 19.–21. Oktober 1903 eingeweiht. Die Wappen der Fassade wurden als Glasmosaik ausgeführt. Diese Kunst hat eine jahrtausendealte Tradition, doch für Bretten wurde eine neue Technik für die Herstellung der Mosaiksteinchen gefunden, die für die Firma Pfuhl & Wagner ein glänzendes Geschäft wurde, da Kaiser Wilhelm II. dieser Kunst geradezu Ewigkeitswert zusprach. An der Fassade sind die Mosaiken mit den Städtewappen nach den Lebensstationen Melanchthons von Bretten, Pforzheim, Heidelberg, Tübingen und Wittenberg, an den Galerie-Erkern das kurpfälzische, badische, kursächsische und preußische Wappen nach Entwürfen Sabels angebracht (1900/1901). Das Material lieferte die Gesellschaft Pfuhl &Wagner in Berlin, deren bekanntester Künstler August Oetken (1868-1951) die Glasmosaiken an der Fassade anfertigte. Sabel entwarf auch die Wappen für das „Städtezimmer“, benannt nach den 121 Wappen von Städten, mit denen Melanchthon im Briefwechsel stand. In der Bibliothek des Melanchthonhauses erhalten ist eine Rote Originalleinenmappe, 30 Kartonblätter mit je 4 (insgesamt 120) aufgeklebten Photographien von Wappen. Auf dem Innendeckel befindet sich eine eingeklebte handschriftliche Widmung: Herrn Otto Hupp, Kunstmaler, s/m liebenswürdigen und allezeit hilfsbereiten Berater in Liebe und Verehrung zugeeignet von G. Sabel, Professor. Die alphabetisch angeordneten Wappen führen von Reval bis Venedig und Siebenbürgen. Die Wappenzeichnungen Sabels gingen zunächst nach Berlin an den Theologen, Kirchenhistoriker und Christlichen Archäologen Nikolaus Müller (1857–1912), den maßgebenden Initiator zur Errichtung des Melanchthonhauses. Die Bildhauer Lober in Wittenberg, später Prof. Gotthold Riegelmann schnitzten die Wappen aus Holz und lieferten sie zur Begutachtung an Sabel. Dieser übergab sie dann der Fa. Mayer, Dekorationsmaler in Bamberg. Von hier gelangten sie schließlich nach Bretten. Wohl für seine Arbeit am Melanchthonhaus wurde er von Großherzog Friedrich I. von Baden zum Ritter 1. Klasse des Zähringer Löwenordens erhoben, denn die Daten der Ordensverleihung (Seine Königliche Hoheit der Großherzog haben Sich unter dem 19. Oktober d. J. (1903) gnädigst bewogen gefunden ...) und das Datum der Einweihung des Melanchthonhauses (19.–21. Oktober 1903) fallen auf den gleichen Tag.
Die Wappenkunde war für Sabel „ein sehr wichtiger Helfer und Ratgeber für die Geschichte.“ Den wissenschaftlichen Umgang mit Wappen und Siegeln eignete er sich durch Selbststudium an. Die heraldischen Arbeiten Sabels zeichnen sich durch eine genaue Beobachtungsgabe, Sorgfalt bei der Deutung der Farbgebung, und eine scharfsinnige Interpretation des Sinngehaltes der Wappenbilder aus. Die enge Verwandtschaft von Wappen und Siegeln regte Sabel auch zu Arbeiten über Siegel an, wobei er meist kombinierte (heraldisch-sphragistisch). Fundiert werden seine Schlüsse durch die kritische Auseinandersetzung mit dem Quellenbestand sowie durch das Verständnis für Zusammenhänge und Wirkungen von adeligen Besitzverhältnissen und Wappen. Die Verehrung für Philipp Melanchthon führte dazu, daß sich Sabel mit der verwickelten Geschichte des Zerbster Stadtsiegels beschäftigte. Lob erntete Sabel für die Geschichte des Siegels der Stadt Ettlingen von seinem Freunde, dem Kunstmaler Otto Hupp. Der Aufsatz über die Stadtsiegel und das Stadtwappen von Pforzheim, wo Verwandte Sabels lebten, führte zu einem Gelehrtenstreit mit Robert Gerwig, Privatmann und Mitglied der städtischen Archivkommission und dem Vorstand der badischen historischen Kommission. Auch der Schwan im Wappen Martin Luthers interessierte Sabel. Er widerlegte die Legende über eine Prophezeiung des tschechischen Reformators Jan Huß († 1415), daß Luther (ein Schwan) sein Nachfolger würde und führt diese Erweiterung des Wappens auf Gedenkmünzen zurück. Eine historisch-heraldische Untersuchung widmet sich einem alten Ölgemälde eines sitzenden Bischofs in vollem Ornat mit Krummstab, der einem vor ihm sich beugenden mittelalterlich gekleideten hohen „Herrn“ die Hand reicht.
Sabel, der zwanzig Jahre in Bamberg lebte, wurde 1898 außerordentliches Mitglied des Historischen Vereins Bamberg und trat hier gleich mit einem Vortrag über die Wappen der Stadt und des Bistums Bamberg auf. Im Zuge der großen Reorganisation des Vereins 1907 wählte man ihn in die Historische Sektion des Ausschusses. Der frühe Tod verhinderte die Vollendung der Erschließung der umfangreichen Siegelsammlung des Vereins. Seine private Siegelsammlung erwarb der Verein nach längeren Verhandlungen im November 1919 für 250 Mark. Wegen seiner Erfahrung im Entwerfen hatte man ihm Arbeiten an der Ausstattung der Altenburg übertragen. Bemerkenswert sind die fürstbischöflichen Wappen nach seinen Vorgaben an den farbenprächtigen Erkerfenstern. „Viele alte Wappen in der Stadt hat er gerettet und erneuert“ (R. Herd). Nicht übergehen darf man zwei Abhandlungen Sabels, die sich auf Bamberg beziehen. So greift er in einem später gedruckten Vortrag das schon vor ihm umstrittene Thema des Wappens der Stadt und des Bistums Bamberg kritisch auf. Nach einer allgemeinen Einführung in das Wappenwesen stellt Sabel die Frage nach dem Ursprung beider Wappen, erwähnt die Meinung einiger Chronisten und kommt zu dem Ergebnis, daß aller Wahrscheinlichkeit nach Kaiser Friedrich II. (1212–-1250) dem Bistum unter Bischof Ekbert von Andechs 1235 im Zuge der Bereinigung des Wappenwesens auf dem Reichstag zu Mainz das Wappen mit dem Löwen und dem darüber liegenden Schrägfaden verlieh. Beim Stadtwappen, verliehen durch Bischof Ekbert, entschied sich Sabel für den gerüsteten Ritter St. Georg, sein weißes Banner mit rotem Kreuz in der Rechten, ein rotes Kreuz auf der Brust, in der Linken den Meranier-Schild mit einem Adler. Auch das Papstgrab im Bamberger Dom erregte die Neugier des unermüdlichen und detailversessenen Sabel. Er lenkt die Aufmerksamkeit auf die westliche Schmalseite des Sarkophags, besonders auf einen sitzenden Mann ohne Kopfbedeckung. Dessen rechte Hand faßt ein Schwert an der Schneide. Auf einem Rundschild hält ein Lamm mit Nimbus einen Kreuzesstab. Sabel lehnt die Deutung als Weltenrichter ab, denn das Bild des Schildes finde sich auf den Münzen des Bamberger Bischofs Ekbert von Andechs (1203–-1237). Dieses Bild müsse ein Symbol des Bistums gewesen sein, bevor es ein eigenes Wappen führte. Sabel folgert aus der Struktur des Steines und dem gleichen Stil der beiden Darstellungen, daß der Sarkophag ohne die Deckplatte aus der Zeit von 1203 bis 1235 stamme und hält Bischof Ekbert für den Auftraggeber.
Ein Abbild der Religiosität im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert ist Sabels Bemühen, sich geistlicher Dichtung zuzuwenden. Der Pietismus, die Erweckungsbewegung des 19. Jahrhunderts und volksmissionarische Strömungen mögen ihn bestimmt haben, mit Übersetzungen aus dem Alten Testament eine Vertiefung des Glaubens anzustreben. So wählte er vier poetische Texte aus: Jakobs Weissagung und Segen 1. Mos. 49, 1–27; Moses Siegeslied am roten (!) Meer, 2. Mos. 15, 2-19; Moses Lied 5. Mos. 32, 11–43; Gebet von Mose, dem Manne Gottes, Psalm 90. Nach einer textkritischen Einleitung verurteilt er frühere Übersetzungen wegen der Anlehnung an den häufigen Gebrauch des hebräischen Parallelismus der Glieder (Verse). Er war überzeugt, daß sich zur Übertragung nur die alten jambischen, reimlosen Metra eignen, die das volle poetische Verständnis erst ermöglichen. Nur dann dürfte wohl die idealste Verdeutschung der ältesten hebräischen Poesie erreicht werden.
Möge diese kurze Biographie die Erinnerung an eine Persönlichkeit von überregionaler Bedeutung beleben!