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Kurzbiographien bedeutender Vereinsmitglieder

KARL SPRUNER VON MERTZ (1803–-1892)
GESCHICHTSFORSCHER UND -KARTOGRAPH

von WILFRIED KRINGS in BHVB 141 (2005) 260–-264
Karl von Spruner oder Spruner von Mertz gehört zu den ersten Mitgliedern des historischen Vereins, der sich Ende Juni/Anfang Juli 1830 unmittelbar nach dem Besuch König Ludwigs I. in Bamberg, der neben Bayreuth wichtigsten Stadt des damaligen bayerischen Obermainkreises, konstituierte. Spruner war zu dem Zeitpunkt 27 Jahre alt. Er war 1803 geboren und hatte die militärische Laufbahn eingeschlagen. Er war 1814 in das königlich bayerische Kadettenkorps in München eingetreten, hatte dieses absolviert und stand nun im Rang eines Leutnants. Er war der einzige Vertreter des Militärs im Verein. In dem aus vier Personen bestehenden ersten Ausschuß bekleidete er bis 1836 das Amt des Kassiers. Nikolaus Haas, Stadtpfarrer an St. Martin, erwähnt in seinem „Bericht über das bisherige Bestehen und Wirken des historischen Vereins der Ober-Main-Kreises“, den er in einer Sitzung am 19. Februar 1834 erstattete, unter den Startschwierigkeiten des Vereins das Ausrücken des Herrn Lieutenant von Spruner auf Cordon gegen die Cholera. Dennoch waren, so Haas, Herr von Spruner und Herr Bibliothekar Jäck (...) geraume Zeit, mit lobenswürdiger ausharrender Thätigkeit, die vorzüglichsten Organe des Vereines. Dieser habe sich unter den gegebenen Umständen vor allem auf die selbstgewählte Aufgabe verlegt, Hülfsmittel der Geschichte zu sammeln.
Diesem Ziel ist eine bemerkenswerte Karte verpflichtet, die Spruner im zweiten Bericht 1838 als Faltbeilage veröffentlichte. Sie ist wissenschaftsgeschichtlich von Bedeutung, nicht nur für das Hochstift Bamberg. Sie steht zugleich am Beginn einer Reihe von kartographischen Arbeiten zur Geschichtswissenschaft, mit denen Spruner sich auf diesem Gebiet in die Forschungsfront seiner Zeit eingliederte. Als sein Hauptwerk gilt der „Historisch-geographische Handatlas“ (Gotha 1837–1852). 1843 verlieh die Philosophische Fakultät der Universität Erlangen Spruner, der damals 40 Jahre alt war, die Ehrendoktorwürde ob praestantissima opera quibus historia universalis et Bavarica mappis historico-geographicis ... depingitur.
Doch zu der erwähnten Karte. Haas kündigte 1834 die Herausgebung einer Gaukarte des Herzogthums Ostfranken an: Er erläuterte dazu: Schon im Beginne des Vereines drang sich die Bemerkung auf, daß wenn man für Geschichte arbeite und sie Licht und Gründlichkeit erhalten soll, vor allem der Boden müsse abgemarkt werden, auf dem die Grenzen sich hinziehen und die Ereignisse sich folgten. Die vorhandenen Vorarbeiten wollten nicht genügen. Daher habe sich Spruner erboten, eine solche Karte zu entwerfen. Seine treffliche Vorbildung im Kgl. Kadettenkorps, besondere Vorliebe und Geschicklichkeit zu dergleichen Arbeiten hätten es ihm ermöglicht, in etwa 3 Jahren die Materialien zu sammeln, zu ordnen, auszuarbeiten. Die Karte mißt plano innerhalb des Rahmens 41,0 x 52,3 cm. Das durch Spruner erfaßte Gebiet reicht von Erfurt im Norden bis Augsburg und Freising im Süden (ca. 350 km) und vom Rhein (Mainz, Speyer) im Westen bis Passau im Osten (ca. 440 km). Methodisch ist die Aufgabe so angegangen, daß innerhalb dieses Gebietsausschnitts für eine große Zahl von Ortschaften das Jahr der Ersterwähnung ermittelt und in die Karte übertragen wurde. In einer eingesetzten „Erklärung“ heißt es: [Signatur] Bißthum; [Signatur] Palatium Regis; [Signatur] Kloster (die Zahl benennt das Stiftungs-Jahr); [Signatur] Urbs, Civitas, Burg, [Signatur] vicus, Dorf; [Signatur] Handelsstrasse durch Carls des Grossen Capitular vom Jahr 806 bestimmt; [Signatur] Aelterer Lauf der Flüsse. NB. [Nota bene] Die Zahlen bezeichnen das erste Erscheinen eines Ortes in den Urkunden. Bestimmen diese kein Jahr, so wurde selbes entweder nach den vorhandenen weiteren Daten, oder der mittleren Jahrzahl des treffenden Zeitraumes angenommen. Um die Karte auch für die Periode der erblichen Grafschaften brauchbar zu machen, wurden die Sitze der Grafen und Dynasten, nebst denen der vorzüglichsten Ministerialen ebenfalls eingetragen.
Bei Bamberg lesen wir: Babenberg Bisth. 1007 ggdt [gegründet], Babenberg 902 [bei der Altenburg, mit Signatur Urbs, Civitas, Burg], Teuerstat [ohne Jahr], Hauptsmoor Wald. In der Umgebung der Stadt sind eingetragen (hier chronologisch geordnet): Kunigeshofen 741, Heidu 795, Halazestat 806, Bunaha 807, Nendilin-Uraha 973, Mamelungstat 1013, Biscofesberg 1015, Camerin 1017, Hirzheide 1079, Memensdorf 1124, Giche 1125, Liuzichendorf 1135, Alren 1137, Bedstat 1142, Gezendorf 1157; ohne Jahr Franchendorf, Thurfilun, Schehezlize.
Wie bei Hallstadt ist bei Forchheim das Jahr 806 für die Nennung im Diedenhofener Kapitular beigesetzt, hier zusätzlich die Signatur Palatium Regis (Königspfalz). Spruner unterstellt, daß es eine Verbindung der im Diedenhofener Kapitular genannten neun Lokalitäten an der Ostgrenze des Reichs zwischen Enns (Oberösterreich) und Bardowick (Niedersachsen) gab und verbindet durch eine „Handelsstraße“ Passau über Forchheim und Hallstadt mit Schmalkalden und Erfurt. Es ist möglicherweise das erste Mal, daß diese Verbindung auf einer Karte erscheint (rotbraun koloriert).
Was die Darstellung der Gaue bzw. ihrer Grenzen angeht, so erübrigte sich eine Erklärung, da sie bereits separat erschienen war. Zu erkennen sind gerissene Linien, die von Hand zu kolorieren waren. Dazu gibt es erläuternde Zusätze: Silva Thuringica quä Thuringiam dirimit a Francia. Anal. Sax. 1078; Sala fl quä Toringos et Sorabos dividit; Spätere Gränze Ostfrankens (östl. des Sulza fl./Sulzach, bei Feuchtwangen). Rot steht für Ducatus Franciae orientalis oder Franconiae und die Untergliederungen, grün für Ducatus Francia occidentalis oder rhenensis.
Am 7. März 1832 habe der Verein beschlossen, die Karte auf eigene Kosten auf Stein drucken zu lassen. Das war damals in Bayern, das über geeignete Vorkommen zur Herstellung von Lithographiesteinen verfügte, das verbreitetetste Reproduktionsverfahren. Nach mancherlei Verhandlungen mit andern Künstlern habe das Uebertragen auf den Stein ein sehr gewandter, junger Mann dahier, Hr. Rössert, übernommen. Gemeint war Joseph Rössert (1808–1876), der gut zwei Jahre später, am 14. September 1834, als Lithograph konzessioniert wurde. Die Karte trägt rechts unten den Vermerk: Gedruckt i. d. lithographischen Anstalt v. Jos. Rössert in Bamberg 1848; dazu kommt ein Prägestempel: AUF KOSTEN DES HIST VEREINS ZU BAMBERG.
Die Darstellung ist technisch aus heutiger Sicht keine Meisterleistung, ja nicht einmal eine Karte im strengen Sinn, die ein Medium der Visualisierung räumlicher Sachverhalte sein sollte. Dies wäre zu erreichen gewesen, wenn statt Ortsname und Jahr eine Signatur eingesetzt worden wäre, die je nach gewünschter zeitlicher Staffelung (z. B. nach Jahrhunderten) unterschiedlich gestaltet wäre. Auf diese Weise würde man eine grobe Vorstellung von der zeitlichen Differenzierung der Besiedlung erhalten, obwohl die belegbare Ersterwähnung nichts über das wirkliche Alter der Örtlichkeit aussagt. Auch wenn Spruner diesen Schritt nicht vollzog, mit einer konkreten Jahreszahl hatte man etwas in der Hand, was beispielsweise für Planung und Durchführung von Jubiläumsfeiern von unschätzbarem Wert war und bis heute gerne genutzt wird. Eine Auflistung der Ortsnamen mit den Erstbelegen in chronologischer Ordnung kam erst 1911 heraus.
Aus der Perspektive des jungen Königreichs ist nachvollziehbar, daß man sich für die Zustände interessierte, die vor der hochstiftischen Zeit bestanden; schließlich hatte man sich das hochstiftische Territorium gegen den Widerstand der „Betroffenen“ einverleibt. Zugleich ist verständlich, daß die von Frankreich übernommene rational-geographische Einteilung in Flußgebiete (Obermain-Kreis, Regen-Kreis usw.) auf Dauer nicht Bestand haben konnte. Bereits 1838 wird sie durch die emotional-historische in Stammesgebiete (Oberfranken statt Ober-Main) ersetzt. Dieses Konstrukt sollte sich jedoch als nicht stark genug erweisen, um die in jüngerer Zeit, besonders nach 1500 entstandenen Unterschiede innerhalb des Bezirks vergessen zu machen.
Über die Vorfahren Spruner von Mertz liegt eine Darstellung von Edmund Hausfelder aus dem Jahr 2001 vor. Die Erhebung der Familie in den Adelsstand scheint 1727 erfolgt zu sein. Karls Vater starb 1807 im Alter von nur 27 Jahren als Magistratsdiurnist (Angestellter ohne festes Gehalt) in Neuburg an der Donau. Die Mutter verstarb 1811. Großeltern väterlicherseits waren Carl Spruner von Mertz (1736–-1814) und seine zweite Frau (1775–-1813). Der Großvater führte in Ingolstadt zwischen 1785 und 1802 wiederholt die Geschäfte als Amtsbürgermeister.
Karl Spruner von Mertz setzte, nachdem er 1825 Leutnant geworden war, seine militärische Laufbahn fort, die er als General der Infanterie (seit 1883) abschloß. Wie lange er sich in Bamberg aufgehalten hat, wäre noch zu klären. 1828 heiratete er Anne (Nanny) de Riboudet (* 1811 Bamberg, † 1888 München), Tochter der in der Karolinenstraße 7 (heute „Hofbräu“) ansässigen Witwe Regina Riboudet geb. Wagner. Deren verstorbener Ehemann war der aus Frankreich stammende Kaufmann Franz (eigentlich Anatole François de) Riboudet. Nach dem Bekunden Jaecks war Riboudets Bildersammlung ein Schatz in Bamberg, dessen diese Stadt in den vorigen Jahrhunderten sich nicht zu erfreuen hatte. Das Ehepaar Spruner bekam drei Kinder; zwei wurden in Bamberg geboren (1835 u. 1836), während das dritte in größerem zeitlichem Abstand in Würzburg zur Welt kam (1844).
Ein Karrieresprung Spruners erfolgte erst nach 1850. Er war zeitweise Generaladjutant König Ludwigs II. 1886 trat er in den Ruhestand und starb 1892 in München.  Bestattet wurde er auf dem Alten Nördlichen Friedhof, Arcisstraße 45. Im Zweiten Weltkrieg wurde die seit 1868 benutzte Anlage schwer beschädigt. Das Grab existiert nicht mehr.